Im Interview gibt der Autor viel Hintergrundwissen preis, das er für den 3. Teil der Jahrhundert-Saga "Kinder der Freiheit" verwendet hat. Das neue Hörbuch wird von Philipp Schepmann gelesen. Auf dem Cover erkennt ihr das Brandenburger Tor, weil ein Großteil der Handlung in Berlin spielt.

Kinder der Freiheit: Rezension

Wir danken ottifanta aus dem Büchereulen-Forum, die nun schon zum dritten Mal ihre Gedanken zu Ken Follets Jahrhundert-Saga hier im Blog teilt.

Kinder der Freiheit ist ein typischer Follett: 42 Stunden und 10 Minuten bzw. 1216 Seiten, die ausgezeichnete Unterhaltung mit lebendigen Figuren und interessantem historischen Hintergrund bieten. Follett gelingt wieder eine ausgewogene Mischung zwischen dem Privatleben seiner fiktiven Figuren und den historischen Ereignissen.

Die bereits aus den ersten beiden Bänden bekannten Figuren tauchen wieder auf, ihre Kinder stehen im Mittelpunkt des Abschlussbandes, dessen deutscher Titel in Anbetracht der Lebensumstände oft eher ironisch wirkt.

Der dritte Band der "Jahrhundert-Trilogie" beginnt 1961 in Berlin, wo Mauds Enkelin Rebecca Hoffmann mit ihrer Familie lebt. Während Maud die Ansicht vertritt, dass die Probleme der DDR lösbar sind und man nicht vor ihnen davonlaufen dürfe, sind Rebecca und viele andere überzeugt, dass Regierung und Stasi ihre Macht missbrauchen und sehen keine Lösung außer der Flucht in den Westen. Gleichzeitig sehnt in Boston der junge George Jakes ein echtes Ende der Rassentrennung herbei, während sein leiblicher Großvater Grigori Peschkow und dessen andere Nachkommen in der UdSSR leben. Tanya Dvorkin arbeitet als Journalistin für die TAS und hofft auf den baldigen Untergang des Kommunismus, ihr Bruder Dimitri glaubt an Reformen und ist politisch aktiv.

Durch die Augen der authentisch wirkenden und komplexen Hauptfiguren erleben die Zuhörer bzw. Leser die Schlüsselmomente jener Zeit aus verschiedenen Perspektiven, begleiten die sehr unterschiedlichen Figuren durch Höhen und Tiefen. Zerwürfnisse und Versöhnungen, neues Leben und der Tod, Armut und Reichtum, Freiheit, Flower Power, Konservatismus, totalitäre Regime und die modernen Medien prägen ihr Leben. Follett zeichnet lebendige Bilder wichtiger Ereignisse der 60er, 70er und 80er Jahre, zeigt die politische Seite und auch den Alltag der Bevölkerung, wobei dieser etwas kürzer kommt als in den vorhergehenden Bänden. Die verschiedenen Handlungsstränge sind lose miteinander verwoben und die Wechsel sowie die Länge der einzelnen Abschnitte sind perfekt dosiert.

Vor allem die recht ausführliche Schilderung der Unruhen in Birmingham, Alabama, als auch der Kubakrise aus amerikanischer und sowjetischer Sicht berührten mich und machten mich nachdenklich, nicht zuletzt weil sie teilweise wieder hochaktuell sind. Folletts bis ins kleinste Detail ausgezeichnet recherchierte Darstellung dieser Ereignisse lässt die sogenannte "gute alte Zeit" in anderem Licht erscheinen. Auch wenn diese Zeit noch nicht allzu lange her ist und es sowohl Videos als auch Fotos in Farbe gibt, machte Ken Folletts Darstellung so einiges begreifbarer, teilweise auf sehr beklemmende Weise.

Die jungen Hauptfiguren bekommen teilweise sehr früh politischen Einfluss, Einblicke in die Schaltzentralen der Macht, die sie kritisch werden lassen und auch mal mehr mal weniger schnell desillusionieren. Auf unterschiedlichen Seiten setzen sie sich oft für ähnliche Ideale ein - das (vermeintliche) Wohl ihrer Mitmenschen.

Während ihre Eltern und Großeltern meist noch relativ früh heirateten und Kinder bekamen, ist diese Generation von den Auswirkungen der Frauenbewegung und des Flower Power geprägt. Gleichzeitig müssen einige der Figuren sehr jung erwachsen werden und sich in einer rasch verändernden Welt mehr oder minder alleine zurecht finden. Die Werte ihrer Vorfahren verlieren rapide an Bedeutung, im Privatleben als auch auf politischer Ebene. Die Entwicklung der Hauptfiguren ist auch in diesem Band durchweg glaubwürdig, obwohl man sie über einen recht langen Zeitraum und durch große Umbrüche begleitet.

Philipp Schepmann liest gewohnt gut, sowohl dramatische als auch ruhige Passagen des Romans auf sehr einfühlsame Weise, wobei Frauenstimmen ihm gelegentlich nicht ganz so überzeugend gelingen. Dank seines Vortrags (und natürlich Ken Folletts Erzähltalent) hatte ich oft das Gefühl, selbst dabei zu sein.

Im letzten Viertel werden relativ häufig Ereignisse aus dem ersten Drittel kurz erklärt, wohl davon ausgehend, dass die Lektüre der 1216 Seiten mehrere Wochen dauert. Dies ist jedoch so knapp gehalten, dass es nicht störte. Sicherlich könnte man Follett vorwerfen, dass einige Begegnungen oder Arbeitsplätze der Hauptfiguren allzu gewollt hingebogen sind - ohne diesen Kniff wäre eine so facettenreiche Darstellung jedoch nicht möglich. Dass seine politischen Ansichten durchblitzen ist vermutlich bei dieser Thematik nur schwer vermeidbar. Einziges echtes Manko für mich sind die gelegentlichen Schwächen der eigentlich weitgehend ausgezeichneten Übersetzung, bei der leider mit unzeitgemäßen Anglizismen und einigen allzu wörtlichen Übertragungen nicht gespart wurde.

"Kinder der Freiheit" setzt keine Vorkenntnisse aus den Vorgängern voraus, die Vorgeschichte der im Mittelpunkt stehenden Familien wird wenn nötig stets kurz erläutert - wobei die beiden ersten Bände meiner Meinung nach sehr empfehlenswerte Lektüre sind.

Fazit

Trotz hoher Erwartungen hat mich Kinder der Freiheit nicht enttäuscht. Follett versteht es, die Aufmerksamkeit seiner Leser von Anfang bis Ende zu fesseln, ihnen eine vergangene Zeit miterleben zu lassen. Ein gelungener Abschluss der Trilogie, dem ich viele Zuhörer wünsche.

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Exklusives Video-Interview mit Ken Follett.