Into the Water: Traue keinem. Auch nicht dir selbst

Bestes Testsubjekt derzeit: Paula Hawkins. 2016 landete die englische Autorin mit ihrem Debütthriller Girl on the Train einen weltweiten Megaseller, der auch gleich noch mit Hollywoodstar Emily Blunt in der Hauptrolle in den Kinos landete. Die Literaturwelt schaut deshalb gespannt auf Hawkins' frisch erschienenen zweiten Thriller Into the Water: Traue keinem. Auch nicht dir selbst. Erste Reaktionen deuten an: Into The water ist anders als sein Vorgänger; ein multiperspektivischer Roman mit Mystery-Anteil, der sich bei den Lesern erst noch beweisen muss. Der Trend zeigt allerdings Richtung Erfolg: Nach nur einer Woche ist Into The Water bereits in den Top 5 der aktuellen Thriller-Bestsellerliste auf audible.de.

Klassische One Hit Wonder

Die Regel ist das nicht. An einen bombastischen Erstling anzuknüpfen, war offenbar noch nie leicht. So sind einige der weltberühmtesten Debütromane absolute "Eintagsfliegen" geblieben.

Eines der bekanntesten Beispiele ist J.D. Salingers Debütroman "Der Fänger im Roggen" von 1951. Nach seinem Jugendporträt aus der Sicht eines frisch aus dem Internat geworfenen 16jährigen in New York City verschwand Salinger komplett in der Versenkung. Einen zweiten Roman gab es nie, nur ein paar Erzählungen und Kurzgeschichten.

Wer die Nachtigall stört...

Ähnlich öffentlichkeitsscheu war Harper Lee, die sich nach ihrem mit dem Pulitzer-Preis gkrönten Südstaatenroman Wer die Nachtigall stört komplett dem Rampenlicht entzog und kein weiteres Werk veröffentlichte. (Ihr kürzlich posthum erschienenes Buch Gehe hin, stelle einen Wächter ist tatsächlich nur der erste, von ihr verworfene Entwurf für Wer die Nachtigall stört).

Eine Abneigung gegen die eigene Popularität und die Auseinandersetzung mit der Offentlichkeit scheinen Gründe für ein ausbleibendes erfolgreiches Zweitwerk zu sein. Ein weiteres gutes Beispiel dafür ist übrigens auch die epische Bürgerkriegsromanze "Vom Winde verweht" von Margaret Mitchell, durch die Verfilmung mit Clark Gable und Vivian Leigh in den Hauptrollen unsterblich geworden. Mitchell hasste den Ruhm und schwor, nie wieder etwas zu schreiben.

Er ist wieder da

Timur Vermes beglückte uns 2012 mit seiner Hitler-Satire Er ist wieder da, aber seitdem ist nichts mehr nachgekommen. Das Gleiche gilt für den Science Fiction-Blockbuster Der Marsianer von Andy Weir, der es 2011 vom selbstverlegten Buch bis zur Verfilmung mit Superstar Matt Damon brachte. Seitdem: Funkstille. Beiden Hits ist gemeinsam, dass die Autoren eine eigentlich einfache aber geniale Idee hatten. Einen hoch unterhaltsamen Geistesblitz, wie man ihn wohlmöglich nur einmal im Leben hat. Tja.

Einige haben's drauf

Zum Glück gibt es neben den One Hit Wonders aber auch die Dauerbrenner. Die Schriftsteller, die gleich mit ihrem Erstling ins Schwarze trafen und dann zu Dauergästen auf den Bestsellerlisten wurden.

Carrie

Stephen King muss man niemandem mehr vorstellen. Sein allererster Roman, Carrie aus dem Jahr 1974, machte ihn sofort berühmt - auch wegen der auf dem Fuße folgenden, damals noch schockierenden Kinoversion mit Sissy Spacek. Anders als seine Kollegen hielt King dem Druck stand. Bis heute hat er mehr als 50 Romane geschrieben, viele von ihnen mindestens ebenso erfolgreich wie Carrie. Ob sein Erfolg seiner hohen Produktivität zu verdanken ist? Vielleicht. Auch, dass er gegen Kritik weitgehend immun ist, mag ein gutes Rezept sein.

Harry Potter und der Stein der Weisen - Gesprochen von Rufus Beck

Erfolg in Serie

Was auch gut funktioniert, ist ein unschlagbarer Serienauftakt. Der beste Beweis: Joanne K. Rowling. Als die damals von Sozialhilfe lebende Autorin Harry Potter und der Stein der Weisen veröffentlichte, konnte noch niemand ahnen, dass der Zauberlehrling mit der Blitznarbe sie zur erfolgreichsten Autorin weltweit machen würde. Aber sie hatte nun mal eine magische Welt erschaffen mit wunderbaren Identifikationsfiguren, und davon wollte jeder mehr sehen. Dass Band 2 im selben Universum mit denselben lieb gewonnenen Charakteren spielte, war schon ein Erfolgsgarant.

Diese Formel gilt für andere Serien auch, die gleich aus dem Startblock siegreich waren: Stieg Larssons Millenium-Trilogie zum Beispiel, oder die Vampir-Saga Twilight. Auch Thrillerreihen gehören dazu: Lincoln Child und Douglas Preston riefen 1995 mit Relic: Museum der Angst den geheimnisvollen Ermittler Aloysius Pendergast ins Leben und schreiben immer noch Fortsetzungen.

Die Therapie

Langsam, aber gewaltig

Aus Deutschland kommt ein Sonderbeispiel: Sebastian Fitzek veröffentlichte in zunächst kleiner Auflage seinen Debütthriller Die Therapie. Der entwickelte sich erst mit der Zeit zu einem Bestseller. Während die Fanbasis wuchs, schrieb Fitzek weiter, produzierte Hits wie Der Augensammler und Passagier 23. Inzwischen ist er der derzeit erfolgreichste deutsche Autor. Geduld und ein langer Atem zahlen sich offensichtlich aus.

Fazit: Ein Patentrezept gibt es für Debütautoren nicht. Was aber mit Sicherheit hilft, auf Dauer erfolgreiche Titel zu schreiben, sind Talent, eine stabile Persönlichkeit, gute Vermarktung und ein Thema, das den Nerv der Zeit trifft. Der Rest ist einfach Glückssache. Oder was meint ihr dazu?

Genau genommen war Girl on the Train nicht der Debütroman von Paula Hawkins. Unter einem Pseudonym hatte sie zuvor bereits ziemlich erfolglos romantische "Groschenromane" geschrieben. Girl on the Train war allerdings ihr Thrillerdebüt und das erste bei einem ernsthaften Verlag veröffentlichte Werk für sie. Das lassen wir mal gelten.