Bestsellerautor Sebastian Fitzek und Deutschlands bekanntester Gerichtsmediziner Prof. Michael Tsokos haben ihre Ideen zusammen geschmissen und heraus gekommen ist ein unglaublich packender Thriller, von dem Tsokos mit Stolz sagt, dass die Handlung theoretisch (!) genau so hätte stattfinden können. Das Hörbuch "Abgeschnitten" wird von David Nathan und Simon Jäger gesprochen: Prädikat absolut hörenswert! Prof. Michael Tsokos erzählte mir aus seinem Alltag als Rechtsmediziner und wie es zu dieser spannenden Zusammenarbeit mit Sebastian Fitzek kam.

Rechtsmediziner Michael Tsokos im Interview

Abgeschnitten

Audible Magazin: Sie werden der bekannteste Rechtsmediziner Deutschlands genannt, was halten Sie davon?

Tja, was sage ich dazu? Ich leite das Institut für Rechtsmedizin an der Berliner Charité. Viele Menschen kommen auf mich zu und fragen mich zu bestimmten Sachverhalten der Rechtsmedizin, das ist Teil meines Berufes. Einige meiner Kollegen sind vielleicht zurückhaltender, was die Öffentlichkeit betrifft. Solange ich bei meinen öffentlichen Auftritten und Veröffentlichungen im Grunde den wissenschaftlichen Anspruch wahre, ist das intensive Verhältnis zur Öffentlichkeit in Ordnung für mich.

Mit welchen großen Klischees über Rechtsmediziner würden Sie am Liebsten ein für alle Male aufräumen?

Die Vermischung zwischen Pathologie und Rechtsmedizin ist für mich immer noch das Schlimmste. Das klingt für mich so, als würde man einen Augenarzt mit einem Urologen vergleichen. Ein Pathologe untersucht natürliche Todesfälle. Die Untersuchung bedarf der Zustimmung der Angehörigen. Ein Rechtsmediziner obduziert Todesfälle, die auf nicht natürlichem Wege herbeigeführt wurden. Diese Untersuchung kann oder muss er auch ohne das Einverständnis der Angehörigen tun, zum Beispiel im Auftrag von Gerichten.

Audible Magazin: Und die Klischees, die Rechtsmediziner selbst betreffen? Wie sind die denn so, in Wirklichkeit?

(Prof. Michael Tsokos lacht) Ja, Sie meinen das Bild des depressiven und zurückgezogenen Mediziners, der in einem gekachelten Raum mit Neonlicht Leichen seziert und sich von der Welt mehr und mehr entfernt. Nein, so ist es ganz und gar nicht. Ganz ehrlich, meiner Erfahrung nach sind Rechtsmediziner vor allem sehr lebensbejahende und optimistische Menschen. Obwohl und wahrscheinlich gerade weil wir uns viel mit dem Tod beschäftigen, müssen wir einen großen Optimismus an den Tag legen. Auch mit meiner Arbeit habe ich das Vertrauen in die Menschen nicht verloren. Im Gegenteil, ich sehe es auch durch meine Erfahrungen mehr denn je als meine Pflicht, Normen und Werte in unserer Gesellschaft weiter zu geben und zu vermitteln.

Audible Magazin: Was tun Sie um Ihren Optimismus zu bewahren, um zu entspannen?

Ich verbringe so viel Zeit mit meiner Familie wie ich kann. Wochenenden mit meiner Frau und meinen Kindern sind für mich wunderbar. Wir sind viel draußen, spielen Fußball oder unternehmen etwas. Das ist das Beste, um einmal nicht an die Arbeit zu denken.

Audible Magazin: Haben Sie überhaupt so etwas wie einen Alltag? Oder sind Sie so viel unterwegs, dass es Alltag in dem Sinne gar nicht gibt?

Doch, doch, einen Alltag habe ich schon. Ein typischer Tag beginnt um 7.30 Uhr mit der Frühbesprechung mit meinem Team in der Charité. Wir gehen gemeinsam durch, welche Obduktionen und Gerichtsverhandlungen anstehen, bei denen ein Sachverständiger von uns anwesend sein muss, usw. Ich gehe nach wie vor möglichst zwei bis drei mal in der Woche in den Sektionssaal, denn das ist mein eigentlicher Job, den möchte ich nicht aus dem Blickwinkel verlieren und hier lerne ich selbst nach wie vor am meisten dazu. Allerdings muss ich auch sehr viel lesen, Gutachten erstellen und dazu Sektionsprotokolle durchsehen. Außerdem gebe ich mehrmals in der Woche eine Vorlesung an einem unserer Institute.

Wie ist es zu der Zusammenarbeit mit Sebastian Fitzek gekommen?

In einer Fernsehsendung habe ich vor ungefähr 3 Jahren Sebastian Fitzek kennengelernt. Es ergab sich noch während der Sendung ein sehr interessantes angeregtes Gespräch. Er kannte meine Rechtsmedizin-Bücher und ich seine Thriller und irgendwie lagen wir gleich auf einer Wellelänge. Ein Jahr später habe ich dann in der langen Nacht der Pathologie hier in Berlin eine kurze Lesung gehalten, zu der Sebastian kam. Danach saßen wir noch um Mitternacht an einer Würstchenbude und ich erzählte Sebastian von meiner Idee.

Ihre Idee?

Ja genau. Sebastian hatte mich gefragt, ob ich mir nicht vorstellen könnte, einmal einen Thriller zu schreiben. Ich hatte tatsächlich schon länger diese Idee von einem Menschen, der über das Telefon einen anderen Menschen sezieren muss. Auch der Titel „Abgeschnitten“ und die Szenerie auf Helgoland schwirrte mir schon länger im Kopf herum. Das man auf der Insel festsitzt, hatte ich selbst schon mal erlebt. Nur hätte ich mir das Schreiben dieser Geschichte nie zugetraut. Ich bin ein totaler Thriller-Fan und habe die Wallander Bücher von Mankell alle verschlungen und außerdem liebe ich Joe R. Lansdale. Mein Respekt vor der Arbeit eines Autors ist riesengroß und ich wusste, so eine Geschichte könnte ich gar nicht selbst schreiben.

Wie entwickelte sich denn aus dieser Idee die Zusammenarbeit für das Buch "Abgeschnitten"?

Sebastian war Feuer und Flamme und schrieb in Windeseile die ersten 20 Seiten als Exposée. Das wiederum hat mich so begeistert, dass ich wieder etwas dazu schrieb und so wuchs der Text schnell auf 100 Seiten. Es ging immer hin und her – ich habe natürlich versucht die realistischen Komponenten aus rechtsmedizinischer Sicht immer wieder mit einfließen zu lassen.

Mussten Sie Sebastian bremsen, weil die Geschichte zu hart wurde?

Im Gegenteil. Wenn ich anfing realistische Geräusche zu beschreiben, die man tatsächlich hört, wenn man zum Beispiel einen halb verfaulten Magen öffnet, fand Sebastian meine Bilder teilweise zu hart. Also hat eher er mich gebremst.

Nun ist das Buch fertig und wird bald erscheinen. Sind Sie zufrieden mit der Geschichte?

Sebastian ist einfach der Meister der Sätze und der Kliffhänger! Wie er das zwischen den einzelnen Kapiteln immer wieder macht, fasziniert mich. Er ist großartig in dem was er tut. Das ist genau das Buch, was ich mir gewünscht hatte. Die Geschichte ist reine Fiktion, doch die Sachverhalte sind sehr realistisch. Genau so könnte jedes Detail geschehen sein. Es macht mir zwar nicht so viel aus, wenn im Tatort oder in anderen TV-Filmen oder Thrillern medizinische Sachverhalte falsch dargestellt werden, aber es ist schon schön diese Dinge einmal selbst so stark mit beeinflusst zu haben, dass sie aus meiner Sicht richtig sind.

Dürfen unsere Hörer damit rechnen, dass es weiter geht mit Sebastian Fitzek und Ihnen als Autorenduo?

Konkret ist noch nichts geplant. Aber es hat ausgesprochen viel Spaß gemacht und ich könnte es mir zumindest sehr gut vorstellen. Im Augenblick konzentriere ich mich allerdings sehr auf meine wissenschaftliche Arbeit. Im kommenden Frühjahr erscheint auch ein weiteres Buch meiner Reihe Spektakuläre Fälle aus der Rechtsmedizin.

Audible Magazin: Vielen Dank für das interessante Gespräch. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg mit "Abgeschnitten" und ihren weiteren Projekten.

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